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Flüchtlingsbilanz

«Sei du selbst die Veränderung, die du dir wünschst für diese Welt.»

Mahatma Gandhi (1948)

Es sind oft die ganz kleinen Dinge, die das grosse Ganze sinnvoll und lebenswert machen. Manchmal sind es die mutigen Taten Einzelner, die unerwartet Wirkung erzielen und uns ermutigen, die Hoffnung nicht aufzugeben. Oft passiert es im Verborgenen, zum Beispiel wenn ein junger Mensch Hoffnung schöpft und in der Schule weitermacht, auch wenn das Lernen schwer fällt und immer wieder Misserfolge ausgehalten werden müssen. Dann sind es vielleicht Momente mit einem Freund oder einem fremden Menschen mit denen wir von Herzen lachen.

Nachdem wir den Artikel „Nach 10 Jahren hat die Hälfte der Flüchtlinge einen Arbeitsplatz“ von Hansueli Schöchli (NZZ E-Paper vom 17.03.2022) gelesen hatten, waren wir ein ganz klein wenig stolz. Ja, stolz! Zehn Absolventen und Absolventinnen unseres Förderprogramms „Integration in Hotellerie und Gastronomie“ sind am Arbeiten und verdienen ihren Lebensunterhalt. Acht arbeiten in der Branche!

Statistik ist geduldig mag man beim Lesen des Artikels denken. Und wieder ist es jeder einzelne Mensch, der die Veränderung bewirkt. Jedes Bespiel hat uns wieder gezeigt: Es lohnt sich, ruhig zu bleiben und hartnäckig sein Ziel zu verfolgen. Dabei ist eine „enge Begleitung notwendig“ und lohnt sich.

Wir bleiben dran!

Euer COURAGE YOUR WAY Team,

 

Andrea, Evi und Manuela

Nach 10 Jahren hat die Hälfte
der Flüchtlinge einen Arbeitsplatz

Bei der Erwerbsintegration von Flüchtlingen aus der Ukraine hilft die Frage, wie es früheren Flüchtlingen in der Schweiz ergangen ist

Bundesrätin Karin Keller-Sutter und die Dachverbände von Arbeitgebern und Gewerkschaften waren sich am Mittwoch in einem ersten Austausch zur Erwerbsintegration der Flüchtlinge aus der Ukraine einig: Die bestehenden Unterstützungsprogramme für den Arbeitsmarktzugang sollen auch für die ukrainischen Flüchtlinge mit ihrem Schutzstatus S offen sein.

 

Die Zuwanderung von Flüchtlingen aus der Ukraine könnte frühere Flüchtlingswellen deutlich übertreffen und hat auch sonst Besonderheiten. Trotzdem dürften die Erfahrungen früherer Flüchtlingsgenerationen am hiesigen Arbeitsmarkt von grossem Interesse sein.

 

Im Mittel liegt die Erwerbstätigkeit von Flüchtlingen deutlich tiefer als bei anderen Einwanderern. Laut einer vom Bund bestellten älteren Studie (2014) lagen die Erwerbsquoten in den ersten zwei Jahren nach Ankunft der Flüchtlinge unter 20 Prozent. Die Quote stieg bis zehn Jahre nach der Ankunft bei den anerkannten Flüchtlingen und Härtefällen auf 50 bis 60 Prozent und bei den offiziell nur «vorläufig Aufgenommenen» auf etwa 30 Prozent. Eine Aufdatierung der Analyse mit Daten von später eingereisten Flüchtlingen zeigte gewisse Verbesserungen – mit einer durchschnittlichen Erwerbsquote zehn Jahre nach Ankunft von etwas über 50 Prozent. Insgesamt sind aber gemäss Bundesangaben noch sieben Jahre nach der Zuwanderung etwa 70 Prozent der Flüchtlinge auf Sozialhilfe angewiesen.

 

 

Grosse Geschlechterdifferenz

Laut den jüngsten Daten zu den 2013 bis 2015 zugewanderten Flüchtlingen beliefen sich die Erwerbsquoten sechs bis acht Jahre nach der Zuwanderung auf knapp 50 Prozent – mit deutlichem Unterschied zwischen Männern (gut 60 Prozent) und Frauen (knapp 30 Prozent). Die mit der Flüchtlingswelle 2015 Zugewanderten (Stichwort Syrien-Krieg) waren Ende 2020 statistisch zu 48 Prozent erwerbstätig. Laut Bundesangaben lag die effektive Erwerbsquote etwas höher als statistisch ausgewiesen.

 

Im Ausland zeigt sich laut einer britischen Analyse von neun Aufnahmeländern aus dem Jahr 2020 eine ähnliche Tendenz am Arbeitsmarkt: In den ersten zwei Jahren waren die Erwerbsquoten der Flüchtlinge sehr tief, die Erwerbsintegration stieg in der Folge kontinuierlich, blieb aber auch nach zehn Jahren mit Ausnahme der USA unter dem Niveau anderer Einwanderer. Die ausgewiesenen Erwerbsquoten der Flüchtlinge zehn Jahre nach der Ankunft beliefen sich – je nach Land – auf unter 30 Prozent bis über 70 Prozent.

 

Hinweise liefert auch eine deutsche Erhebung von 2020 über knapp 1500 Flüchtlinge aus Syrien und Eritrea. Die Befragten waren im Mittel rund 4,5 Jahre in Deutschland. Etwa die Hälfte hatte einen Berufsschul-, Mittelschul- oder Hochschulabschluss. 36 Prozent waren zum Zeitpunkt der Befragung erwerbstätig. Der Rest verteilte sich zu etwa gleichen Teilen auf drei Gruppen: Hausfrauen/Hausmänner, Praktikanten/Kursteilnehmer und Arbeitslose.

 

 

Enge Begleitung notwendig

In der Schweiz hatten sich Bund und Kantone 2018 auf eine Integrationsagenda geeinigt, um Flüchtlinge rascher in den Arbeitsmarkt zu bringen. Frühe Sprachkurse, systematische Potenzialabklärung und gezielte Begleitung sind einige der Stichworte. Ein spezifisches Mittel zur Erhöhung der Erwerbsbeteiligung von Flüchtlingen ist die einjährige «Integrations-Vorlehre» mit Sprachkursen, weiteren Schulstunden und betrieblicher Praxis. Pilotversuche begannen in einzelnen Kantonen 2016. Der Bund hat sein Förderprogramm dazu 2018 lanciert und seither noch auf gewisse Einwanderer ohne Flüchtlingsstatus ausgebaut und verlängert.

 

Die Integrations-Vorlehre soll die Teilnehmer im Prinzip fit machen für eine reguläre Berufslehre. Die Teilnehmer sind beim Start typischerweise schon einige Zeit in der Schweiz und müssen respektable Sprachkenntnisse mitbringen. Gemäss Bundesangaben haben im Ausbildungsjahr 2020/2021 knapp 840 Personen an einer Integrations-Vorlehre teilgenommen. 86 Prozent schlossen das Programm ab, und knapp zwei Drittel dieser Absolventen fanden in der Folge eine Lehrstelle. Ein Jahr zuvor waren die Zahlen ähnlich.

 

Theoretisch liesse sich dieses Programm noch deutlich ausbauen und könnte auch für gewisse Ukraine-Flüchtlinge infrage kommen – wenn auch kaum kurzfristig für eine grosse Zahl. Der Bund und die Sozialpartner haben am Mittwoch den Zugang der Ukrainer zu diesem Programm bejaht. Laut einem Beobachter dürfte ein solches Programm für die Ukraine-Flüchtlinge aber wohl erst ab nächstem Jahr eine relevante Option sein – falls sich ein längerer Verbleib der Flüchtlinge abzeichne.

Aus dem NZZ E-Paper vom 17.03.2022
Autor: Hansueli Schöchli